Wohl fast jeder ITler, der den Job schon ein paar Jahre macht, denkt auch gern mal an die Zeit zurück, wo auf dem Schreibtisch noch nicht die Leistung eines mittleren Supercomputers stand, und Datenträger wirklich noch “getragen” werden mußten. Viele meiner Kollegen kennen die Zeit der Großrechner wohl gar nicht mehr. Da ich an einem dieser Monster mit meiner Berufsaus- bildung begonnen habe, aber bei einer Suche im Netz gar kein Material über diesen Teil der (ostdeutschen) Rechnergeschichte finden konnte, möchte ich das hiermit nachholen. Grundsätzlich handelt es sich beim EC-1036 um einen Nachbau der amerikanischen IBM 360- Serie. Im Gegensatz zu IBM, wo die Fertigung ausschließlich in der Hand einer Firma lag, wurde dieser Rechner im Rahmen des ESER- Projekts (Einheitliches System elektronischer Rechentechnik) modular in den RGW-Ländern hergestellt. So konnte es vorkommen, dass neben Bandgeräten von Robotron Wechselplattenlaufwerke aus Bulgarien und russische Plattencontroller zum Einsatz kamen. Das dieser buntgewürfelte Mix trotz einheitlicher Spezifikation nicht unbedingt sehr kompatibel war, kann sich wohl jeder vorstellen, der schon mal einen Rechner nur aus Noname-Teilen zusammengebaut hat.
Als Dateneingabemedium kam neben der Lochkarte auch das Lochband zum Einsatz. Links sieht man so ein kombiniertes Lochbandstanz- und Lesegerät. Die Übertragungsraten waren nicht sehr hoch, man hatte jedoch eine preisgünstige Übertragungs- möglichkeit von den Daten- erfassungsplätzen zum Groß- rechner. So ein Großrechner schaffte naturgemäß auch jede Menge Arbeitsplätze. Da der Rechner rund um die Uhr betrieben wurde, mußte in Schichten gearbeitet werden. So kamen pro Schicht schnell 5-6 Mitarbeiter zusammen, mindestens ein OP1 (Schichtleiter/Jobcontrolling), ein bis zwei OP2 (Jobcontrolling/Konsole, Magnetband / Platte) und ein bis drei OP3 (Magnetband- und Druckeroperating). Dazu kam das Wartungs- personal (in unserem Fall ein Team von 8 Technikern), das Magnetbandarchiv (unser Rechenzentrum verfügte über ca. 6000 eigene und noch ca. 4000 Kundenbänder) und die Arbeitsvor-/-nachbereitung. Weiterhin gab es Anwendungsprogrammierer und mindestens einen Systemprogrammierer. Auch ein Datenerfassungsbereich und ein Papierlager war normalerweise einem Großrechner zugeordnet. Ein komplettes Großrechenzentrum mit einem Großrechner beschäftigte so etwa 80 Personen, größere Zentren mit mehreren Großrechnern (z.B. DVZ- Berlin) konnten diese Quote etwas drücken, da sich das Personal auf mehrere Maschinen aufteilte. Als Betriebssystem kam OS/ES zum Einsatz, eine leicht adaptierte Variante des OS/360. Als Programmiersprachen wurden Fortran-4, PL/1, Cobol-65, Algol-60, RPG und Assembler eingesetzt, dazu kam eine JCL - eine Job- steuersprache für die Jobverarbeitung. Die Jobs wurden im allgemeinen über Konsolbefehle, JCL-Lochkarten oder Terminalkommandos gestartet. So war der Schichtleiter für die kontinuierliche Auslastung und den Jobfluß verantwortlich. Dazu gehörte bei uns auch die Korrektur von Programmkarten, da die hauseigenen Programmierer mit dem Lochkarten- stanzer auf Kriegsfuß standen. Etwa ein Drittel aller Jobs wurde nachts korrigiert, da Tipp- fehler und vergessene Kommandos den Programmlauf unmöglich machten. Dementsprechend umfasste die Berufsausbildung zum Facharbeiter für Datenverarbeitung nicht nur die tech- nischen Grundlagen, sondern es gehörten mindestens JCL, PL/1 und Assembler zum Aus- bildungsprogramm. Dazu kamen auch so nette Übungen wie das manuelle Dekodieren von Lochbändern und Lochkarten - ich glaube, das kann ich heute noch ;o) Ich hoffe, Euch hat dieser Ausflug in die Vergangenheit Spaß gemacht. Schoe Bildmaterial: computer-museum.ru |