Wohl fast jeder ITler, der den Job schon ein paar Jahre macht, denkt auch gern mal an die Zeit zurück, wo auf dem Schreibtisch noch nicht die Leistung eines mittleren Supercomputers stand, und Datenträger wirklich noch “getragen” werden mußten.es1036b

Viele meiner Kollegen kennen die Zeit der Großrechner wohl gar nicht mehr. Da ich an einem dieser Monster mit meiner Berufsaus- bildung begonnen habe, aber bei einer Suche im Netz gar kein Material über diesen Teil der (ostdeutschen) Rechnergeschichte finden konnte, möchte ich das hiermit nachholen.

Grundsätzlich handelt es sich beim EC-1036 um einen Nachbau der amerikanischen IBM 360- Serie. Im Gegensatz zu IBM, wo die Fertigung ausschließlich in der Hand einer Firma lag, wurde dieser Rechner im Rahmen des ESER- Projekts (Einheitliches System elektronischer Rechentechnik) modular in den RGW-Ländern hergestellt. So konnte es vorkommen, dass neben Bandgeräten von Robotron Wechselplattenlaufwerke aus Bulgarien und russische Plattencontroller zum Einsatz kamen. Das dieser buntgewürfelte Mix trotz einheitlicher Spezifikation nicht unbedingt sehr kompatibel war, kann sich wohl jeder vorstellen, der schon mal einen Rechner nur aus Noname-Teilen zusammengebaut hat.

es1036cDer EC-1036 wurde von 1983 bis 1989 produziert, und war der erste Großrechner der ESER- Reihe, in dem Microprozessoren zum Einsatz kamen. Die Vorgängermodelle basierten noch auf einfachen integrierten Schaltkreisen. Weltweit wurden 2073 Rechner dieses Modells verkauft, einige wenige sind heute noch im Einsatz. Der Rechnerraum einer solchen Anlage war normalerweise zwischen 100 und 150 m² groß und klimatisiert. Die Klimaanlage war auch bitter nötig, da der Rechner im Normalbetrieb eine Leistungsaufnahme von mindestens 40KW hatte, der Arbeitsbereich des Rechners lag zwischen 5 und 40° Celsius. Im obenstehenden Bild sieht man die Konsole inkl. Protokolldrucker. Die Tastaturen waren bei der 1036er Serie russisch belegt und beschriftet - das erste Mal am IBM- kompatiblen PC war daher doch etwas gewöhnungsbedürftig ;o).

pc_012Im nebenstehenden Bild sieht man den Hauptprozessor des Rechners (EC- 2436), (rechts) der immerhin eine Verarbeitungsleistung von 400.000 OP/s hatte, die Speicherschränke sind links zu sehen. Der Hauptspeicher hatte eine Kapazität von 512 KByte, die über Swapping auf eine Wechsel- platte auf 4 MByte ausgebaut wurde. Als Speicherchips kamen 16KBit- Module zum Einsatz, die über Steck- karten ausgetauscht werden konnten.


 

es5061Üblicherweise kamen beim EC-1036 acht Wechselplatteneinheiten vom Typ EC-5061 zum Einsatz, die über einen eigenen Controllerschrank verfügten. Jeder Wechselplattenstapel hatte eine Kapazität von 10 MByte, der Aufbau war analog dem der heutigen Festplatten - ein Stapel magnetischer Oberflächen, auf dem  mit einem kammartigen Lese-/ Schreibkopf zugegriffen werden konnte.

pc_018sDie Bandgeräte verfügten über einen eigenen Controller (EC-5525), der bis zu 8 Magnetbandgeräte ansteuern konnte. Die Übertragungsrate lag typischerweise zwischen 64 und 126 KByte pro Sekunde. Die dazugehörenden Magnetbandgeräte EC-5612M sieht man unten.
es5017Anstelle dieser Magnetbandeinheit en konnten auch  EC-5002 oder EC-5612 genutzt werden, alle waren baugleich, kamen nur aus unterschiedlichen Ländern (EC-5002 z.B. aus der DDR).
Die Bänder hatten eine Kapazität von 100 bis 200 MByte, und eine Aufzeichnungsdichte von 126 oder 192 Bit/mm.

 

es7038Die Druckleistung war abhängig von der Anzahl der eingesetzten Paralleldrucker. In unserem Rechen- zentrum kamen damals 4 Drucker zum Einsatz, die enorme Papiermengen verarbeiten konnten. Die durchschnittliche Druckgeschwindigkeit lag bei 800 bedruckten Zeilen pro Minute bei einer Zeilenbreite von 132 Zeichen, bei Formulardruck konnten also problemlos 15-25 Seiten pro Minute bedruckt werden. Das Druckprinzip war der Paralleldruck, eine Zeile wurde in einem Durchlauf gedruckt. Dazu gab es eine Typentrommel, die sich mit einer Geschwindigkeit von ca. 1000 Umdrehungen/Minute drehte. Auf dieser Trommel war jeder Buchstabe als Zeile angeordnet. In dem Augenblick, in dem der passende Buchstabe vorbeiflitzte, schlug ein kleiner Hammer auf das vor Drucktrommel und Farbband liegende Papier. Pro Trommel- umdrehung konnte so eine Zeile Text gedruckt werden. Das Druckbild dieser Drucker erkennt man sehr gut daran, dass die Buchstabenhöhen nicht einheitlich sind, durch die enorme pc_034Druckgeschwindigkeit konnte ein leichter Buchstabenversatz auf- treten. Es konnten bis zu 5 Durchschläge in guter Qualität erzeugt werden.

Als Dateneingabemedium kam neben der Lochkarte auch das Lochband zum Einsatz. Links sieht man so ein kombiniertes Lochbandstanz- und Lesegerät. Die Übertragungsraten waren nicht sehr hoch, man hatte jedoch eine preisgünstige Übertragungs- möglichkeit von den Daten- erfassungsplätzen zum Groß- rechner.
Später wurden auch Disketten- und Kassetteneinheiten als E/A- Geräte genutzt. Dieses modulare Konzept erlaubte es dem Kunden, sich “seinen” Großrechner entsprechend den eigenen Erfordernissen zusammenzustellen.

So ein Großrechner schaffte naturgemäß auch jede Menge Arbeitsplätze. Da der Rechner rund um die Uhr betrieben wurde, mußte in Schichten gearbeitet werden. So kamen pro Schicht schnell 5-6 Mitarbeiter zusammen, mindestens ein OP1 (Schichtleiter/Jobcontrolling), ein bis zwei OP2 (Jobcontrolling/Konsole, Magnetband / Platte) und ein bis drei OP3 (Magnetband- und  Druckeroperating). Dazu kam das Wartungs- personal (in unserem Fall ein Team von 8 Technikern), das Magnetbandarchiv (unser Rechenzentrum verfügte über ca. 6000 eigene und noch ca. 4000 Kundenbänder) und die Arbeitsvor-/-nachbereitung. Weiterhin gab es Anwendungsprogrammierer und mindestens einen Systemprogrammierer. Auch ein Datenerfassungsbereich und ein Papierlager war normalerweise einem Großrechner zugeordnet. Ein komplettes Großrechenzentrum mit einem Großrechner beschäftigte so etwa 80 Personen, größere Zentren mit mehreren Großrechnern (z.B. DVZ- Berlin) konnten diese Quote etwas drücken, da sich das Personal auf mehrere Maschinen aufteilte. mpo_vt04

Als Betriebssystem kam OS/ES zum Einsatz, eine leicht adaptierte Variante des OS/360. Als Programmiersprachen wurden Fortran-4, PL/1, Cobol-65, Algol-60, RPG und Assembler eingesetzt, dazu kam eine JCL - eine Job- steuersprache für die Jobverarbeitung. Die Jobs wurden im allgemeinen über Konsolbefehle, JCL-Lochkarten oder Terminalkommandos gestartet. So war der Schichtleiter für die kontinuierliche Auslastung und den Jobfluß verantwortlich. Dazu gehörte bei uns auch die Korrektur von Programmkarten, da die hauseigenen Programmierer mit dem Lochkarten- stanzer auf Kriegsfuß standen. Etwa ein Drittel aller Jobs wurde nachts korrigiert, da Tipp- fehler und vergessene Kommandos den Programmlauf unmöglich machten. Dementsprechend umfasste die Berufsausbildung zum Facharbeiter für Datenverarbeitung nicht nur die tech- nischen Grundlagen, sondern es gehörten mindestens JCL, PL/1 und Assembler zum Aus- bildungsprogramm. Dazu kamen auch so nette Übungen wie das manuelle Dekodieren von Lochbändern und Lochkarten - ich glaube, das kann ich heute noch ;o)

Ich hoffe, Euch hat dieser Ausflug in die Vergangenheit Spaß gemacht.

Schoe

Bildmaterial: computer-museum.ru
                   www.bashedu.ru